Schon gut zehn Jahre dauert die Reise der letzten großen Planetensonde Cassini, die am 15. Oktober 1997 die Erde verließ und nach einem Kurzbesuch am Jupiter im Sommer 2004 den Ringplaneten Saturn erreichte. Als erste Sonde von Menschenhand schwenkte Cassini in eine Umlaufbahn ein, die seither ständig verändert wird. Immer neue Perspektiven ergeben sich dabei auf das überaus vielgestaltige Saturnsystem: den Planeten selbst mit seinen Ringen aber auch die vielfältige Welt seiner Monde, derer – auch dazu hat Cassini beigetragen – inzwischen 60 bekannt sind. Vor allem zwei dieser Monde sorgen immer wieder für Aufsehen: der Titan mit seiner dichten Atmosphäre, mutmaßlichen Seen und mancher Parallele zur Erde (wobei Methan die Rolle unseres Wassers spielt) und Enceladus mit eisigen Geysiren aus Spalten in seiner Oberfläche. Diesen Sommer geht die vierjährige Primärmission Cassinis zuende, aber mindestens eine Verlängerung um zwei Jahre ist so gut wie sicher.
Als Cassini auf der Rampe stand, war oft vom letzten Dinosaurier der interplanetaren Raumfahrt die Rede gewesen. Schließlich kostet das Gesamtprojekt mindestens 3 ½ Milliarden US-Dollar, inklusive des Starts (400 Mio. $), großer Beiträge der europäischen Weltraumbehörde ESA (750 Mio. $) und des Betriebs bis 2008 (720 Mio. $). Kleine gezielte Planetenmissionen kosten oft nur ein paar Hundertmillionen Dollar, tragen aber auch nur eine Handvoll wissenschaftliche Instrumente und führen ihre Forschungen in wenigen Monaten durch. Cassini dagegen wird allein im Rahmen seiner Primärmission 76-mal um den Saturn kreisen, wobei es 52-mal zu engen Vorbeiflügen an sieben der Monde kommt – und Ende 2004 wurde überdies die europäische Huygens-Kapsel auf den größten dieser Monde, den Titan, abgeworfen, die durch dessen Atmosphäre sie langsam zu Boden sank. Zu den Hauptaufgaben des Cassini-Orbiters zählt neben der Fernerkundung der Monde die Erforschung des Ringsystems, das alle Varianten vereint, die bei Jupiter, Uranus und Neptun vorkommen, aber noch viel komplexer ist: Es geht etwa um die Altersbestimmung der Ringe, das Verfolgen von Veränderungen über vier Jahre hinweg - und letztlich auch die »Benutzung« der Saturnringe als Modell für die protoplanetare Scheibe, aus der einst unser Planetensystem entstand. Eine sehr systematische Überwachung der Saturnatmosphäre und -magnetosphäre gehört natürlich ebenfalls zu Cassinis Aufgaben: Detailreiche Filme der Wolkenbewegungen sind möglich, man will herausfinden, warum Saturn so viel Wärme abstrahlt, und die Magnetosphäre gilt als Mittelding zwischen der gewaltigen des Jupiter und der irdischen - vielleicht ist ihre Langzeitüberwachung der Schlüssel zum Verständnis beider.
Die ständige Aktivität Enceladus' hat Folgen auch für seine Umgebung: Der Mond steht nunmehr als Erzeuger des feinen E-Rings des Saturn fest. Und die von ihm stammenden Teilchen treffen mit einigem Schwung auf mindestens elf andere Monde, deren Oberflächenstruktur sie in einer Weise verändern, dass das Reflektionsvermögen bei Licht genau von vorne markant ansteigt. Dieser erhöhte „Oppositionseffekt“ wurde am 13. Januar 2005 tatsächlich beobachtet, als das Saturnsystem der Sonne von der Erde aus gesehen fast exakt gegenüber stand. Während das Geschehen auf und um Enceladus durch Cassini schon recht umfassend dokumentiert ist und der Zusammenhang zwischen den Tigerstreifen und den Eisgeysiren durch direkte geometrische Vermessung der Bilder außer Frage steht, lassen sich über das Innenleben dieses aktiven Mondes nur Vermutungen anstellen. Und es ist noch nicht einmal klar, ob es tatsächlich flüssiges Wasser irgendwo unter seiner Eiskruste geben muss: Seit Ende 2006 sorgt ein alternatives Modell für Furore, bei dem stattdessen verschiedene Gase – die Cassini tatsächlich in den Geysirwolken nachwies – im Inneren des Mondes in Molekülkäfigen, sogenannten Klathraten, eingefangen sind und bei gelegentlichen Brüchen der Kruste freigesetzt werden. Das wäre zwar ein spannender physikalischer Prozess, aber ein Verdacht auf flüssiges Wasser womöglich schon dicht unter der Oberfläche würde Enceladus für künftige interplanetare Sondenmissionen (und die Politiker, die sie bezahlen sollen!) wesentlich attraktiver machen. Wenn nämlich die letztere Annahme zuträfe, dann würde Enceladus schlagartig ganz weit vorne in die Liste jener Welten im Sonnensystem einsteigen, die potenziell lebensfreundlich wären. Neue Erkenntnisse über den Mechanismus hinter den Enceladus-Geysiren könnte ein Flug Cassinis mitten durch sie hindurch – und in nur ca. 30 km Höhe über der Oberfläche – am 12. März 2008 bringen. Wenn die NASA sich traut.
Die Dünenfelder sind nur eine von vielen Parallelen zwischen dem eisigen Titan am Rande des Sonnensystems und der Erde: Die Prozesse der Landschaftsgestaltung sind einander erstaunlich ähnlich, die Chemie dahinter freilich völlig unterschiedlich. Denn die Rolle des Wassers auf der Erde spielt auf dem Titan das Methan, während dort das Wasser steinhart gefroren ist und gewissermaßen die Geologie übernimmt. Schon seit den vagen Voyager-Messungen vor über 25 Jahren war über Methan-Prozesse ähnlich des Wasserkreislaufs auf der Erde spekuliert worden.So wurde berechnet, dass Titan einen 1 km tiefen Ozean aus flüssigem Ethan besitzen sollte, dem unvermeidlichen Abbauprodukt des atmosphärischen Methans, dem in der oberen Atmosphäre die UV-Strahlung der Sonne zusetzt. Aber davon kann, wie Beobachtungen Cassinis wie auch von der Erde aus zeigen, keine Rede sein: Die Titanoberfläche ist größtenteils fest. Das Ethan hat sich mit Smog-Partikeln in der Atmosphäre zu einer Substanz namens Smust verbunden, besagt jetzt ein neues Modell: Diese Teilchen sinken zu Boden und sollten im Laufe der Äonen eine rund 3 km dicke Schicht produziert haben. Die Dünenfelder auf der Titanoberfläche bestehen vermutlich aus diesem Smust – aber leider lassen sich die Prozesse, die zu seiner Bildung führen, bisher im Labor nicht nachbilden, so daß das Modell etwas spekulativ bleibt. Und dies gilt – manch anderslautender Meldung zum Trotz – auch Anno 2007 noch, wenn es um stehende Gewässer auf Titans Oberfläche geht: Die Indizien dafür sind dank Cassini gewaltig gewachsen, aber der endgültige Beweis, dass es heute Seen und gar kleine Meere auf dem Saturnmond gibt, steht bis heute aus. Was nämlich das Radar seit Sommer 2006 sieht, sind zahlreiche extrem dunkle Flecken, wo die Radarstrahlen vom Orbiter weg reflektiert zu werden scheinen: Die Oberfläche einer ruhenden Flüssigkeit ist zwar die bei weitem naheliegendste aber nicht die einzige Erklärung.
Erst der Titan-Vorbeiflug »T16« hatte den lang ersehnten Durchbruch gebracht: Am 22. Juli 2006 war Cassini dem Mond mit 950 km nicht nur näher als als den 16 Annäherungen zuvor gekommen, zum ersten Mal hatte dabei das Radar des Orbiters fast genau auf seinen Nordpol geschaut – und dabei ganz neue Welt gefunden. »Ich sage zuversichtlich einen ganz anderen Titan voraus« als auf allen früheren Radaraufnahmen«, hatte im Mai der Cassini-Radarforscher Ralph Lorenz korrekt getippt und dabei diesen Flyby zu einem entscheidenden Testfall erklärt: »Wenn wir bei T16 keine Hinweise auf Tümpel oder Flüssigkeiten sehen, dann würde ich zugeben müssen, daß wir uns allmählich fragen müßten, ob es soetwas überhaupt auf einer erkennbaren Größenskala gibt.« Für ein schräg auf den Boden schauendes Radar sollten Flüssigkeiten praktisch schwarz erscheinen, wenn sie nicht gerade vom Wind aufgewühlt werden: Der Strahl wird komplett vom Sender wegreflektiert, kaum etwas zurückgestreut. Lediglich in Polnähe ist es auf dem Titan kalt genug, daß die dortige Chemie in flüssiger Form vorliegen kann: bei -180°C natürlich nicht Wasser, sondern Methan und ggf. beigemischtes Ethan. Die Vermutungen über das Vorhandensein stehender »Gewässer« - wie man sie sonst im ganzen Sonnensystem nur auf der Erde kennt - hatten in den letzten Jahren ein ständiges Auf und Ab erlebt: Modelle des Methanzyklus auf dem fernen Mond wie das Vorhandensein offensichtlicher Abflußkanäle auf der Oberfläche (eine Entdeckung von Huygens’ Kamera) sprachen dafür, und Seen wären die ideale Quelle für die trüben Methanschwaden der Titanatmosphäre. Aber eindeutig zu sehen waren sie nie gewesen, abgesehen allenfalls von einem einsamen unscharfen Dunkelfleck im Juni 2005 auf einem Cassini-IR-Bild aus der Nähe des Südpols, der damals als möglicher See interpretiert worden war. Aber jetzt waren kaum mehr Zweifel mehr möglich: Der T16-Radarstreifen enthüllte über 75 kreisrunde oder nierenförmige extrem dunkle Flecken, nur in den hohen Breiten jenseits von 75° und oft am Ende mutmaßlicher Flußläufe. Seither sind es immer mehr geworden, rund 400: Die kleinsten der mutmaßlichen Seen, die sich möglicherweise in vulkanischen Calderen angesammelt haben, messen nur einen, die größten 100 000 Quadratkilometer, was man schon fast als kleines Meer bezeichnen könnte. Stolze 14 Prozent der Oberfläche bedecken sie in der Nordpolarregion Titans, und es gibt sie auch tief im Süden. Die einzige Alternative zu stehenden Gewässern, die den Radarauswertern bisher eingefallen ist, wären Senken, in die der Wind Material mit extrem geringer Dichte geweht hat – doch dafür gibt es keinerlei andere Hinweise.
Denn der Cassini-Orbiter hatte in den entscheidenden Stunden nur einen der beiden Datenkanäle der Huygens-Kapsel aufgezeichnet, weil man schlicht vergessen hatte, den zweiten Empfänger einzuschalten! Ein Versagen der transatlantischen Bürokratie, zu dem auch die in den letzten Jahren extrem verschärften Regeln für den Technologieexport der USA beigetragen haben mögen. Durch die Panne ging die Hälfte der Bilder der Huygens-Kamera verloren, und das Doppler Wind Experiment stand - als einziges ohne Redundanz - ohne Cassini-Daten da. In beiden Fällen war allerdings Rettung in Sicht. Die Lücken zwischen den Bildern konnten mit Aufnahmen aus anderer Höhe interpoliert werden, was den Auswertern allerdings noch viele Monate Kopfzerbrechen bereiten sollte. Überhaupt erwies sich alle im Vorfeld geschriebene Software für das Erstellen von Bildmosaiken als untauglich, weil die Kapsel am Fallschirm überraschend heftig geschwankt hatte. Die allerersten Panoramen, die am Tag nach der Mission seitens der Huygens-Wissenschaftler präsentiert wurden, waren einfach (und teilweise fehlerhaft) mit kostenloser Stitching-Software zusammengefügt worden, die ein Mitarbeiter bei seiner Digitalkamera gefunden hatte! Und noch monatelang kamen die besseren Huygens-Bildmosaike von cleveren Amateurastronomen, die in den Besitz der Rohdaten gelangt waren. Auch die Windgeschwindigkeiten in der Titanatmosphäre, die man aus jenem besonders sauberen Funkkanal ableiten wollte, den Cassini nicht empfing, haben sich bald rekonstruieren lassen. Denn bis zu 18 Radioteleskope auf der Erde haben eben dieses extrem schwache Signal mitgehört und Huygens Sinken durch die Atmosphäre verfolgt: Aus diesen Daten ließem sich die Windgeschwindigkeiten praktisch genau so gut wie einst geplant bestimmen.
Zusammen mit den Messungen der vielen Instrumente auf Huygens selbst hat sich schon bald ein detailliertes Bild der titanischen Verhältnisse geformt. Unterhalb von 20 km über der Oberfläche war die Atmosphäre plötzlich klar und der Boden deutlich erkennbar, und in überraschender Klarheit wurde ein komplexes Muster aus schwarzen Fingern sichtbar, das sofort – und bis heute – als ziemlich eindeutiges Bild von Abflusssystemen interpretiert wurde. Der Boden selbst - hier beträgt die Atmosphärentemperatur -179°C - hat zumindest an Huygens' Landestelle die mechanischen Eigenschaften von feuchtem Geröll einer gewissen Kompaktheit. Er besteht dem reflektierten Nah-IR-Licht zufolge aus Wassereis (ebenso wohl auch die vielen herumliegenden 'Felsen'), hat aber erhebliche Beimischungen – insbesondere von Methan, das beim Aufschlagen der Kapsel in die Atmosphäre geblasen wurde. Huygens selbst ist eine rein europäische Sonde, die allerdings bequemerweise auf Cassini reiste und sich insbesondere den Strom für ihre Batterien kurz vorher von Cassini und damit dessen Nuklearbatterien geholt hatte. Gleichwohl darf man sagen: Europa hat zum allerersten Mal eine erfolgreiche Operation im äußeren Sonnensystem durchgeführt, wobei die weiche Landung ein willkommener Bonus war. Sämtliche Phasen des gefährlichen Eintritts in die Atmosphäre und des Abstiegs an drei Fallschirmen waren perfekt und auf 15 Sekunden genau absolviert worden, den Landeschock von 15 g überstand Huygens völlig unbeschadet, und die Lebensdauer der Batterien übertraf alle Erwartungen - Huygens sendete noch, als die Kapsel für Cassini unter dem Horizont verschwand, und die irdischen Radioteleskope empfingen den Funkträger so lange, bis sie selbst die Beobachtung abbrachen! Im Inneren der Kapsel herrschten anfangs +25°C, und der Boden leitete die Wärme nicht besonders effizient ab: Auch das dürfte geholfen haben.
Vom ersten Atmosphärenkontakt bis zum Aufsetzen waren 2 Stunden und 28 Minuten vergangen, die Sinkgeschwindigkeit lag zuletzt bei 4.5 m/s. Über den Datenkanal B wurden sämtliche Bits der Instrumentendaten tadellos und gänzlich verlustfrei an Cassini übertragen. Das außergewöhnliche Netzwerk von Radioteleskopen konnte den Abstieg von Huygens durch die Atmosphäre von Anfang bis Ende mitverfolgen, und die Riesenantennen von Green Bank und Parkes lieferten in Echtzeit (und bereits nach Minuten) die Bestätigung, dass Huygens sendete: auch dies eine gelungene Premiere für Raumfahrt wie Radioastronomie gleichermassen. Das dramatische Finale der Mission von Huygens hatte natürlich auch einige politische und vielleicht auch gesellschaftliche Dimensionen - jedenfalls waren so viele Medienvertreter zum Kontrollzentrum ESOC in Darmstadt geströmt, wo die Daten einliefen, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Europa hatte seine Rolle in der internationalen Planetenforschung kräftig etabliert und nach Giotto und Mars Express eine weitere Leistung von Weltrang hinbekommen. Es kam offenbar darauf an, bei einem komplexen Eintritts- und Landeunternehmen stets ausreichende Mittel bereitzustellen, um erfolgreich zu sein: Beim Beagle 2 auf dem Mars Express hatten die Forscher die meiste Zeit um mehr Geld betteln müssen, während bei Huygens genug Mittel vorhanden waren, um alle nötigen Tests auch durchzuführen. Noch viel lernen mußte die ESA allerdings, wie man solche Großereignisse der Weltraumforschung wie die Ankunft von Huygens angemessen ins Bild setzt. Die Informationspolitik im ESOC wie im ESA-eigenen Fernsehkanal hatte nämlich mehrfach zwischen einer NASA-gleichen Perfektion und gröbsten Fehlern geschwankt: So waren die ersten Bilder der Kamera unter totalem Ausschluß der Öffentlichkeit angekommen, und es wurde nicht einmal ein ESA-eigenes Kamerateam entsandt, um die historische Szene einzufangen (der außer den direkten Teammitgliedern nur der Autor durch einen glücklichen Zufall ansichtig wurde). Das stand in krassem Kontrast zur Offenheit der NASA etwa bei den Marslandungen ein Jahr zuvor, die die Weltöffentlichkeit seither - und zurecht - als Standard ansieht. Die erste Präsentation der besten Bilder Stunden später wurde auch noch völlig improvisiert in der Kantine (!) des ESOC abgehalten, was zwar für eine urige Atmosphäre sorgte, dem Ereignis aber völlig unangemessen war und überdies eine Live-Ausstrahlung im Fernsehen verhinderte ...
Mit Huygens’ Mission hat die Titanforschung erst recht Fahrt aufgenommen: Erst zusammen mit den fortgesetzen Abtastungen der gesamten Oberfläche durch Instrumente des Cassini-Orbiters wie globalen Messungen mit irdischen Großteleskopen formt sich ein immer vollständigeres Bild seiner komplizierten Kreisläufe und Wettergeschehens – was wiederum dessen Modellrechnungen verbessert. Den Messungen nach gibt es unterhalb der optisch trüben Wolken in 8-16 km Höhe eine vollständig durchsichtige weitere Lage aus flüssigem Methan und Stickstoff, aus der ein ständiger »Nieselregen« auf die Oberfläche fallen müßte. Und in Polnähe kommt es gelegentlich sogar zu heftigen Methanregenstürmen: Dabei stürzen - aufwändigen 3D-Rechnungen zufolge - aus den gewaltigen Konvektionswolken, die man dort häufig sieht, bis zu 110 kg flüssiges Methan auf jeden Quadratmeter, mehr als genug, um die Flußsysteme auf der Oberfläche zu erklären. Das längerfristige Wolkengeschehen läßt sich am besten von der Erde aus verfolgen: So gibt es Indizien für einen Methan-Nieselregen jeden lokalen Vormittag. Und der Titan wurde einmal in insgesamt 82 Nächten mit den Großteleskopen Keck und Gemini Nord mit Adaptiver Optik beobachtet, wobei 15-mal markante weiße Wolken in seiner Troposphäre auftraten, bis zu 2000 km lang aber jeweils innerhalb eines Tages wieder verschwunden . Aber immer über genau derselben Gegend: Offenbar besteht ein direkter Zusammenhang mit irgendetwas auf der Oberfläche, die an der Stelle aber keine auffälligen Besonderheiten wie eine dunklere Albedo aufweist. Die naheliegendste Erklärung ist, daß hier sporadisch Methan in die Atmosphäre entlassen wird, woraufhin die gestiegene »Luftfeuchtigkeit« zur Wolkenbildung führt. Allerdings ist bislang nicht erkennbar, ob das Methan aus schmalen Brüchen im Boden quillt oder von regelrechten Kryovulkanen ausgestoßen wird - diese in Aktion zu sehen, ist Cassini bislang verwehrt geblieben.
Während die meiste Zeit Titan und Enceladus im Rampenlicht stehen, stiehlt ihnen zuweilen der kleine Japetus die Schau: Ein gehöriger Teil seiner Oberfläche wird – das ist schon seit über 300 Jahren bekannt - von einem dunklen Gebiet bedeckt, daß nur ein Zehntel der Albedo der hellen Zone hat. Und mitten durch diese »Galileo Regio« zieht sich auch noch entlang eines Drittels des Japetus-Äquators ein bis zu 20 km hoher Wulst, der dem ganzen Mond das Aussehen einer Walnuss verleiht. Erstmals wurde dies bei einem nahen Cassini-Besuch zu Sylvester 2004 deutlich, aber ganz nah heran – 1644 km – kam Cassini das erste und einzige Mal erst am 10. September 2007. Nun sieht es doch wieder so aus, dass allein Kräfte der Tektonik das Gebirge aufgetürmt haben: Andere Ideen wie ein „eingefrorener“ Effekt frühererer schneller Rotation oder gar ein abgestürzter Ring um den Mond verlieren an Rückhalt. Und für den extremen Helligkeitskontrast wird nun ein eigentlich simpler Rückkopplungseffekt diskutiert, bei dem lediglich ein bisschen dunkles Material zu Anfang auf die Oberfläche gelangen muß. Dann setzt etwas ein, das thermische Segregation genannt wird: Die Sonne erwärmt dem Boden, Wassereis sublimiert und schlägt sich anderswo, wo es kälter ist, wieder nieder – während das dunkle Material zurückbleibt. Nun wird dieses noch wärmer, noch mehr Eis verzieht sich, und in kurzer Zeit ist schon der hohe Kontrast entstanden. Dass das dunkle Material nur eine ganz dünne Schicht bildet, zeigen jedenfalls kleine Einschlagskrater, in denen bereits helles Eis darunter erkennbar wird.
Überhaupt spielt die Wechselwirkung zwischen den Ringteilchen – meist Wassereisbrocken mit Millimeter- bis Metergröße – und eingebetteten Minimonden eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung von Strukturen aller Art. Auch Monde weit unterhalb einer Größe, bei der sie Cassinis Kamera noch direkt sehen könnte, 100 Meter zum Beispiel, sind in der Lage, allein durch ihre Schwerkraft und regelmäßige Wiederkehr an dieselbe Stelle markante Störungen in den Ringen hervorzurufen, die rund 15 km lang sind und Propeller getauft wurden. Allein im A-Ring befinden sich demnach hochrechnet 10 Millionen Möndchen von mindestens 10 Metern Durchmesser! Und die größeren Monde – der Zahl nicht zuletzt durch die emsige Analyse von Cassinibildern von gerade einmal 18 vor zehn Jahren auf inzwischen 60 hochgeschnellt ist – sorgen wieder für andere Störungsmuster in den Ringen, wandernde Wellen zum Beispiel. Oder ausgeprägte Ringbögen, die nicht um den ganzen Planeten herumreichen: Ein solcher „Arc“ am Innenrand des G-Rings kann auf die Schwerkraft des Mondes Mimas zurückgeführt werden. Mikrometeoriten, die auf die großen Eisteilchen des Arcs treffen, schlagen dann winzige Partikel frei, die vom Plasma der Saturnmagnetosphäre herausgerissen werden und schließlich den G-Ring bilden. Auch zum Verständnis der Ringe insgesamt trägt Cassini allmählich bei: Messungen des Lichts von Sternen durch sie hindurch deuten auf eine größere Gesamtmasse als bisher berechnet hin. Und damit gewinnt die Hypothese an Boden, dass sich die Ringe bildeten, als ein größerer Mond durch einen Einschlag komplett zerstört wurde. Dazu bedurfte es freilich auch eines entsprechend großen Impaktors, und diese waren in der Jugend des Sonnensystems viel häufiger als heute anzutreffen: Möglicherweise ist zumindest der B-Ring., in dem 95% der Gesamtmasse der Saturnringe stecken, schon sehr alt.
Lange bevor die NASA die erste Verlängerung der Mission genehmigte (was dem Vernehmen nach nur noch eine Formsache ist und sich lediglich aus bürokratischen Gründen verzögert), hatten sich die Cassini-Forscher bereits einen genauen Plan für den Zeitraum Juli 2008 bis Juni 2010 ausgedacht, der wie schon die ersten vier Jahre allen Aspekten der Saturnforschung dienen soll und insbesondere sieben enge Begegnungen mit Enceladus umfasst. Ein Highlight wird der Sommer 2009 werden, wenn die Sonne genau von der Seite auf die Saturnringe scheinen und feine Unebenheiten dramatisch hervorheben wird. Aber auch die Cassini-Mission wird einmal ein Ende finden, vielleicht um das Jahr 2012 nach einer zweiten Verlängerung – und was danach mit dem Orbiter geschehen wird, ist noch völlig unklar. Man könnte ihn auf einer stabilen Bahn im Saturnsystem belassen oder auf den Planeten oder einen der Monde abstürzen lassen – oder die Anker lichten und mittels weiterer Titan-Passagen das Saturnsystem wieder verlassen, wobei die Reise sowohl in Richtung äußeres wie inneres Sonnensystem gehen könnte. Eine besonders verwegene Idee: ein gezielter Crash mit hoher Geschwindigkeit in den Planeten Merkur, um dort kontrolliert einen frischen Krater zu schlagen. Über das Schicksal Cassinis wird erst in einigen Jahren entschieden – aber schon vorher stellt sich die Frage: Wird es einen Nachfolger geben? Sowohl bei der NASA wie bei der ESA sind die Begehrlichkeiten stark: Erstere läßt gegenwärtig gleich vier mögliche Stoßrichtungen studieren, zu Titan, zu Enceladus, zum Jupitermond Europa und zu mehreren Jupitermonden. Lange galt Europa mit seinem unbestrittenen unterirdischen Ozean als das offensichtliche Ziel, doch die Entdeckungen Cassinis zwingen nun zu einer Neubewertung. Und auch die ESA hat zwei Missionen zu den Jupitermonden bzw. zu Titan plus Enceladus unter die letzten 8 Kandidaten für zwei Großunternehmen der Weltraumforschung im Zeitraum 2015 bis 2025 gewählt: Wenn sich NASA und ESA für denselben Planeten entscheiden (und das soll binnen eines Jahres geschehen), dann ist eine gemeinsame Mission im Cassini-Huygens-Stil nahezu gewiss.
Ansichten im Saturnsystem: Enceladus und die Saturnringe vor dem Titan
So sieht Cassinis Kamera
– erheblich kontrastverstärkt –
die Oberfläche Titans
Ein typischer Radarstreifen Cassinis
von der Titanoberfläche, mit Dünen und Kratern, von 2005
Eine Auswahl der mutmaßlichen Seen auf
Titan, vom Oktober 2006
Grosse – mutmaßliche – Seen
auf Titan (die „Insel“ ist 90 km groß): ein Radarbild vom Februar 2007
Willkommen auf Titan:
Dieses Bild bot sich der Kamera von Huygens nach dem weichen Aufsetzen
So sah Huygens die Titanoberfläche:
eine extrem verarbeitete Version eines Mosaiks aus Aufnahmen seiner Kamera
Mühsam war das Zusammenfügen
der Huygens-Bilder zu solchen Mosaiken der Titanlandschaft
Ein frühes Mosaik
aus Huygens-Bildern, mit 'offensichtlichen' Flußläufen
Walnuss im Weltraum:
der seltsame Saturnmond Japetus, zu Sylvester 2004
Die helle Seite von Japetus:
ein Mosaik aus 60 Bildern vom September 2007
Japetus im Detail:
die Übergangszone zwischen hell und dunkel
Eine Nahaufnahme von Japetus
zeigt dunkle Flecken auf hellem Eis
Eine Nahaufnahme des Walnuss-Wulstes von Japetus
Der Mond Phoebe, der Saturn in großem Abstand umkreist -
nur einmal, im Juni 2004, kam Cassini nahe vorbei
Das ist Hyperion, aufgenommen 2005
Einer von den kleinen Monden: Epimetheus
Die Saturnringe im Schrägblick –
und von der anderen Seite beleuchtet, im Juni 2007
Saturn im Gegenlicht im September 2006,
ein Mosaik aus 165 Aufnahmen: das Ringsystem erscheint in völlig neuer Gestalt, die kleinsten
Teilchen leuchten nun am hellsten
Ringmuster aus nächster Nähe –
aufgenommen während des Einschusses in den Saturnorbit
Vier Ansichten des höchst verbogenen F-Rings
Erstaunliches Detail im F-Ring Saturns:
Für solche Zacken sind immer kleine Monde verantwortlich, in diesem Fall Prometheus
Saturn, wie ihn nur eine Raumsonde sieht:
ein Mosaik aus 45 Aufnahmen vom Mai 2007
Der Vortex am Südpol Saturns, im Oktober 2006
Auf die Wellenlänge kommt es an:
Saturn bei 0,9 und 5,1µm
Saturn im thermischen Infrarotlicht:
Die hellen „Perlen“ sind Löcher in der Wolkendecke, durch die man die Wärme aus dem Planeteninneren sieht